Plaggenwirtschaft


Plackerei auf dem Esch

Bestimmt sind euch im Alltag schon einmal die Wörter „Esch“ oder „Plackerei“ begegnet. Ihren Ursprung haben diese Begriffe in einer Jahrhunderte alten Form der Landbewirtschaftung die weltweit einzigartig ist und weite Teile Nordwestdeutschlands intensiv geprägt hat: die Plaggenwirtschaft oder auch Plaggendüngung. Dabei wurden Heide- oder Waldböden (Plaggen) abgetragen und im Stall als Einstreu eingesetzt. Dort wurden die Plaggen mit tierischen Ausscheidungen vermischt und zum Teil mit Küchenabfällen und Asche angereichert. Dieses Gemisch wurde schließlich auf dem Acker verteilt und sorgte für eine erhebliche Steigerung der Bodenfruchtbarkeit. Der sogenannte „Plaggenesch“ entstand. Die Bauern reagierten mit dieser Form der Bewirtschaftung auf die eiszeitlich geprägten kargen Sand- und Lössböden der Region. Die Anfänge der Plaggenwirtschaft gehen hierzulande bis ins 12./13. Jahrhundert zurück. Die Möglichkeit der gezielten Düngung war für die damalige Zeit revolutionär. Neben starken Veränderungen des Landschaftsbildes hat sich die Plaggendüngung, welche stellenweise bis in die 1930er-Jahre ausgeübt wurde, auch auf die regionale Kultur und das Sozialleben ausgewirkt.

Ökologisch betrachtet, brachte die Plaggenwirtschaft allerdings auch sichtbare Nachteile mit sich: Für einen Hektar Plaggenesch wurden in der Regel fünf bis zehn Hektar Fläche zum Abplaggen benötigt. Das hatte zur Folge, dass die ohnehin schon nährstoffarmen Sandböden weiter verarmten. Daraus ergab sich wiederum ein Rückgang der Waldgebiete und eine Ausbreitung der Heidelandschaft. Die Weidegründe verschlechterten sich und es kam regelmäßig zu Sandverwehungen und Dünenbildung im Tiefland.

 

Warum handelt es sich um immaterielles Kulturerbe?

Wissen und Bräuche mit Bezug zur Natur bilden eine ganz eigene Kategorie immaterieller Kulturformen. Dabei spielt das Zusammenspiel zwischen Mensch und Umwelt eine wichtige Rolle. Bei der Plaggendüngung handelt es sich schließlich um eine traditionelle Form der Landbewirtschaftung, welche zwar heute nicht mehr direkt angewandt wird, unsere Region aber über Generationen geprägt hat und sich bis heute in unserem Landschaftsbild widerspiegelt. Insofern verkörpert sie ein immaterielles Kulturgut, das der Region auch ein Stück weit Identität gibt.

Die archäologischen Funde der legendären Varusschlacht im Museum und Park Kalkriese haben wir übrigens auch dem dort vorhandenen Plaggenesch zu verdanken. Er konservierte die Zeugnisse vergangener Zeiten während auf den umliegenden modernen Äckern nichts gefunden werden konnte.

Da die Plaggenwirtschaft in der Form heute nicht mehr angewendet wird, zählt sie offiziell nicht als Immaterielles Kulturerbe. Diese traditionelle Art der Landbewirtschaftung prägte jedoch die kulturlandschaftliche TERRA.vita-Region nachhaltig.


Wo kann ich in unserer Region Plaggenwirtschaft entdecken?

Bei genauerem Hinsehen lassen sich im Natur- und Geopark TERRA.vita immer wieder Flächen ausmachen, auf denen Plaggenwirtschaft betrieben wurde. Besonders anschauliche Beispiele für einen noch vorhandenen Plaggenesch findet ihr entlang des Eiszeit-Entdeckerpfads bei Bippen oder auf dem TERRA.track Wacholderhain bei Merzen. Der Wacholderhain selbst ist ein Relikt der im Mittealter weit verbreiteten Heide-Kulturlandschaft. Auf unserem Barfuß- und Infopfad lässt sich die Landschaft optimal erkunden.

Wer sich für die Tradition der Plaggenwirtschaft interessiert und sich mit der Kulturgeschichte unserer Region auseinandersetzen möchte ist also herzlich dazu eingeladen einen der oben genannten Orte zu besuchen. Doch damit nicht genug: An der Lechtinger Mühle in Wallenhorst ist ein „Plaggeneschzentrum“ in Planung.

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