Wohl kaum jemand im Osnabrücker Land verkörpert immaterielles Kulturerbe aus der Region so sehr wie der „Pottbäcker“ Bernd Niehenke. Das Wort „Pottbäcker“ stammt aus dem Plattdeutschen und bedeutet so viel wie „Töpfermeister“. Es steht bezeichnend für die Leidenschaft, mit der Niehenke seinem Handwerk nachgeht.
Die Töpferei blickt auf eine lange Geschichte zurück. Stellenweise lassen sich Tausende Jahre alte Keramikfunde nachweisen, die heute wichtige Erkenntnisse über die Sozial-, Kunst-, und Kulturgeschichte der Menschheit liefern – zum Beispiel über die Trichterbecherkultur vor mehr als 5.000 Jahren. Besonders in Regionen mit reichem Tonvorkommen hat sich über Jahrhunderte eine Töpfertradition ausgeprägt, bei der auch heute noch regionale Produkte mit herkömmlichen Handwerkstechniken gefertigt werden. Die größten zusammenhängenden Tonvorkommen Europas befinden sich im Westerwald, dessen Töpfertradition im Jahr 2016 auch auf die bundesweite UNESCO-Liste immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde. Auch unsere Region ist reich an Jahrmillionen Jahre alten Tongesteinen und unverfestigten Tonen. Doch nicht alle lassen sich für die Töpferei nutzen.
Bernd Niehenke übt bereits in siebter Familiengeneration das traditionelle Töpferhandwerk aus. Uropa Bernhard Niehenke verlegte die 1895 in Hagen a.T.W. gegründete Werkstatt im Jahr 1900 an den Hasbergener Hüggel. Zunächst wurde Tongeschirr in warmen Erdfarben produziert, sogenannte „Näpkes“, „Kümkes“ und „Tabakspötte“. Als in den goldenen 1920er Jahren Geschirr aus Emaille Tongeschirr ablöste, stellte man die Produktion auf Blumentöpfe um. Dabei wurde die Anlage und die Maschinen immer wieder eigenhändig erweitert – auch durch das Ausschlachten manch eines Kriegsgefährts aus den Weltkriegen.
In den 1970er Jahren löste der Plastik-Blumentopf den Ton-Blumentopf ab. Seitdem produzierten zunächst Niehenkes Vater und heute Bernd Niehenke selbst wieder die „Näpkes“, „Kümkes“ und „Tabakspötte“. Diese alten Produkte sind mit ihren traditionellen Mustern ebenso typisch für die Region, wie die „Hagener Nachtigall“ – ein uraltes Kinderspielzeug aus Ton.
Heute führt Bernd Niehenke gerne Gäste durch die urige Töpferei, zeigt die über 120 Jahre alten Maschinen und schmeißt gerne für Besucher*innen die Töpferscheibe an. Zu jedem Gegenstand weiß er eine Story zu erzählen. Man kann ihm stundenlang zuhören, wenn er über seine bewegte Familiengeschichte, alte Handwerkstechniken, Maschinen aus alten Panzer- und Schiffsteilen oder die sagenumwobenen Hüggelzwerge spricht. Dazu gibt es leckeren Kuchen, einen starken Kaffee, und natürlich jede Menge erkäufliche Töpferkunst.
Aber, seht selbst:
Wie entsteht Ton?
Tone bestehen zum Großteil aus weniger als 0,002 Millimeter großen Tonmineralen. Sie stammen aus älteren Gesteinen, die durch Wind und Wasser verwitterten, durch Flüsse in einen See oder Meer transportiert wurden und sich dort ablagerten. Lebten in dem Gewässer viele Organismen mit einem Kalkskelett, z. B. Muscheln und kalkiges Plankton, ist der Ton angereichert an Kalk, ein sogenannter Mergel.
Die Familie Niehenke nutzte für das Töpfereiunternehmen zunächst die vor Ort anstehenden Mergelsteine aus dem triassischen Muschelkalk . Der Mergel entstand vor mehr als 240 Millionen Jahren in einem flachen, warmen Meeresbecken. Als das Vorkommen aufgebraucht war, karrte man Ton aus einer Tongrube in Hagen-Sudenfeld zur Fabrik – und nutzt diesen noch heute. Fossilien wie die Muschel Trigonia und Ammoniten, die in dem Ton zu finden sind, lassen auf das Alter des Tons schließen. Der Ton lagerte sich in einem Meer vor etwa 170 Millionen Jahren in der Jurazeit ab.
Neben dem traditionellen Handwerk hat Bernd Niehenke noch eine weitere Leidenschaft, die für regionales immaterielles Kulturerbe steht: das Musizieren auf Plattdeutsch. Regelmäßig finden in der alten Töpferei plattdüütsche Abende statt, bei denen Niehenke selbst zum Mikrofon greift. Einen Eindruck davon erhaltet ihr HIER.